100 Jahre EEG: Wie die Messung der Gehirnaktivität die psychische Gesundheitsversorgung geprägt hat

August 20, 2024 - neurocare group

In den letzten 100 Jahren hat das Elektroenzephalogramm, oder EEG, einzigartige und wertvolle Einblicke in die Funktionsweise unseres Gehirns ermöglicht. Mit Hilfe von Elektroden und hochwertigen Verarbeitungstechnologien misst es die elektrische Aktivität im Gehirn  und spielt eine zentrale Rolle in der Neurowissenschaft sowie in der klinischen Praxis. In der heutigen Zeit hat sich die EEG-Technologie erheblich weiterentwickelt und bietet uns wertvolle Werkzeuge und Erkenntnisse für die Behandlung in Psychiatrie, Psychologie und Neurologie.

Die Entdeckung des EEG

Die erste EEG-Aufzeichnung bei einem Menschen wurde von dem deutschen Psychiater Hans Berger am 6. Juli 1924 direkt vom freiliegenden Gehirn während einer Operation durchgeführt1. Berger veröffentlichte seine Ergebnisse fünf Jahre später in der Zeitschrift „Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten“. Er entdeckte schließlich auch eine Möglichkeit, die Hirnaktivität nicht-invasiv von der Kopfhaut abzuleiten, und prägte damit die Art und Weise, wie EEG-Aufzeichnungen heute durchgeführt werden.

Oben: Einige der ersten Abbildungen von Bergers EEG-Aufzeichnungen. Quelle

Wie das EEG heute zur Aufzeichnung der Gehirnaktivität eingesetzt wird

Hans Bergers bahnbrechende Arbeit hat die moderne EEG-Forschung maßgeblich beeinflusst. Der „Berger-Rhythmus“, auch als Alpha-Rhythmus bekannt, ist ein zentraler Bestandteil der quantitativen EEG-Analyse (QEEG) und seine Prinzipien bilden die Grundlage der heute üblichen Praxis. Mit den Technologien des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts wird das volle Potenzial der QEEG nun ausgeschöpft.

Klaus Schellhorn und sein Team der EEG-Technologiesparte von neurocare in Ilmenau (neuroConn) haben seit Anfang der 2000er Jahre eine zuverlässige und etablierte EEG-Gerätetechnologie entwickelt.

„Nicht weit von dem Ort, an dem Hans Berger das erste EEG aufzeichnete, konnten Absolventen der Universität Ilmenau vor 20 Jahren zeigen, dass die Full-Band-EEG-Technologie nicht nur in der MRT und während nicht-invasiver Hirnstimulation eingesetzt werden kann. Sie wird auch therapeutisch im Rahmen des Neurofeedbacks bei der Behandlung von Epilepsie und ADHS genutzt."

Klaus Schellhorn, Dipl. Ing., Group Head der tES & EEG Technology bei neurocare

 

Die Geschichte des EEG war schon immer eine Geschichte über Technologie. Durch die Kombination verschiedener Verstärkertypen entwickelten Klaus Schellhorn und sein Team eine qualitativ hochwertige Technologie für den Einsatz in Forschung und Therapie, die ein breiteres Spektrum von Signalen von der Kopfhaut erfassen und isolieren kann. Sie kombinierten zuverlässige EEG-Hardware mit leistungsfähiger Software, die in der Lage ist, Artefakte herauszufiltern. Das daraus resultierende QEEG erlaubt eine sehr präzise Analyse der Gehirnaktivität. Die Geräte, die heute von der Technologiesparte von neurocare entwickelt und hergestellt werden, können auch mit anderen Verfahren wie der MRT oder mit Neurostimulationstechniken wie TMS (Transkranielle Magnetstimulation) oder tES (transkranielle Elektrische Stimulation) kombiniert werden.

A map wears an EEG cap with brain activity being monitored by a clinician

QEEG in der Psychiatrie und Psychologie

Die Analyse des QEEG ist zu einem Eckpfeiler der personalisierten Untersuchungstechniken geworden und wird weltweit in den neurocare Therapiezentren eingesetzt. Sie bietet eine eingehende Auswertung der Hirnaktivität der Patienten und zeigt, wie diese mit den Symptomen psychischer Leiden wie ADHS oder Depressionen zusammenhängen kann.

"In der Psychiatrie und der Psychologie gewinnt das EEG als Analyseinstrument immer mehr Bedeutung. Tagtäglich arbeiten wir eng mit Fachleuten für psychische Gesundheit zusammen, die die tieferliegenden Ursachen der Gehirnaktivitäten ihrer Patienten aufdecken möchte – sei es bei ADHS, Depressionen oder anderen Störungen. Das EEG kann dabei viele Hinweise ans Licht bringen. So können wir Behandlungen planen, die von Anfang an eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit haben."

Dr. Trevor Brown, führender Neurowissenschaftler und Global Academy Manager bei neurocare

 

In der Psychologie und Psychiatrie basieren Einblicke in die psychischen Probleme oft auf subjektiven Selbstauskünften der Betroffenen in Fragebögen. Mit der richtigen Technologie und Schulung bietet das EEG jedoch die Möglichkeit, die Hirnaktivität objektiv zu betrachten. So lassen sich z. B. Hinweise auf Schlafstörungen, Schläfrigkeit oder über- bzw. unteraktive Hirnzustände finden. Ein spezifisches Muster der Hirnaktivität, der sogenannte EEG-„Phänotyp“, kann dann als Grundlage für eine gezielte Therapie dienen – sei es medikamentös oder durch nicht-invasive Methoden wie Neurofeedback oder TMS (transkranielle Magnetstimulation).

A woman does Neurofeedback therapy to improve with electrodes reading brain activity into a computer screen

Neurofeedback: ein EEG-basiertes Gehirntraining bei ADHS und Schlafstörungen

Ab den späten 1950er und frühen 1960er Jahren erforschten Wissenschaftler, ob das EEG für das Training der Gehirnaktivität genutzt werden kann - die Geburtsstunde des Neurofeedbacks. Dabei wird die Gehirnaktivität an einer bestimmten Stelle der Kopfhaut in Echtzeit erfasst und auf einem Computerbildschirm angezeigt. Der Patient erhält dann die Aufgabe, seine Gehirnaktivität anhand des angezeigten Feedbacks zu verändern. Durch zahlreiche Sitzungen und mithilfe der „operanten Konditionierung“ lernt er, sich besser zu konzentrieren oder überaktive Gehirnzustände zu reduzieren.

 

„In der neurowissenschaftlichen Forschung ist das EEG die bildgebende Technik mit der höchsten zeitlichen Auflösung zur Untersuchung menschlicher Kognition. Wir nutzen das EEG nicht nur zur Personalisierung von Behandlungen, sondern auch für die Behandlung selbst. Beim Neurofeedback lernen Patienten, ein spezifisches Muster ihrer EEG-Aktivität zu modulieren.“

Hartmut Heinrich, Neurofeedback R&D-Spezialist bei neurocare

 

Die Zukunft des EEG

Das EEG hat entscheidende Fortschritte in der Psychiatrie und Psychologie ermöglichst. Bei neurocare arbeiten die Software-, Forschungs- und Entwicklungsteams jetzt daran, Techniken wie QEEG und Neurofeedback für Behandelnde zugänglicher zu machen, damit sie diese in der täglichen Versorgung einsetzen können.

 

"In einer Zeit, in der die Automatisierung stark zunimmt, legen wir bei neurocare besonderen Wert auf zuverlässige Daten. Unsere EEG-Vorverarbeitung zur Korrektur von Artefakten sorgt dafür, dass die Ergebnisse präziser und unerwünschte Störungen minimiert werden. So gewährleisten wir eine optimale Patientenversorgung.“

Amna Ghani, Software Data Ingenieur und EEG-Expertin bei neurocare

 

neurocare setzt sich nicht nur für die Weiterentwicklung von EEG- und Neurofeedback-Technologien ein, sondern geht einen Schritt weiter: Im Rahmen der Digital Therapy Platform legen sie besonderen Wert darauf, dass diese Techniken benutzerfreundlicher und für Behandelnde zugänglicher gestaltet werden. Durch die Optimierung der Prozesse und die Verbesserung der Benutzeroberfläche möchte neurocare Gesundheitsfachkräfte in die Lage versetzen, EEG und Neurofeedback effektiver in ihrem Praxisalltag einzusetzen und einfacher in Behandlungspläne integrieren - zum Vorteil einer breiteren Patientengruppe, die auf wissenschaftlich fundierte, nicht-invasive und nachhaltige Ansätze in der psychischen Gesundheitsversorgung setzt.

Quellen 

1Ojha, P. (2024). Berger and the Breakthrough: A Centennial Celebration of the Human Electroencephalogram. Neurodiagnostic Journal, 64(2), 69–74. https://doi.org/10.1080/21646821.2024.2327268

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